Gratulation zu Ihrer Coverstory „Der genormte Staat“ von Walter Leiss.
Sie hinterfragen völlig zu Recht
„…freiwillige Regeln, die von jenen erarbeitet werden, die sie in der täglichen Praxis benötigen…“
und
„… Aber wann ist es zuviel?“:
Von freiwilligen Regeln kann aus der Perspektive von Architekten nicht die Rede sein; und noch viel weniger, dass sie von jenen erarbeitet werden, die sie in der täglichen Praxis benötigen.
Längst ist es zuviel: Als Architekten werden wir laufend mit Absurditäten konfrontiert und ein Großteil der am Baugeschehen Beteiligten stöhnt unter der Ist-Situation.
Das Normenwesen wird durch Partikularinteressen in Normenausschüssen dominiert –nicht von gesamtheitlichen, öffentlichen Interessen. Das Normeninstitut selbst entwickelte sich zum Verwalter eines unübersichtlichen, teils widersprüchlichen Normendschungels. Jene, die an der Entstehung von Normen Einfluss nehmen möchten, entsenden Vertreter in sog. Normenausschüsse. Die Teilnahme an diesen Normenausschüssen ist mit jährlichen Gebühren (€ 450,-) verbunden.
So werden einerseits Regelwerke durch wirtschaftliche Interessensvertreter („Lobbyisten“), andererseits durch Vertreter des „Sicherheitswesens“ dominiert und diverse Anforderungen ständig „hochgeschraubt“. Thematische Übersichtlichkeit, Widerspruchsfreiheit, Gültigkeitsdauer und kostengünstiges Bauen spielen kaum eine Rolle.
Architekten und andere Freischaffende sind in der Normenwerdung nicht oder kaum vertreten: Wer setzt sich –mit welcher Motivation?- unbezahlt bzw. in seiner Freizeit in Normenausschüsse ohne konkrete Vorteile erwarten zu dürfen und bezahlt sogar jährliche Beiträge für diese Teilnahme?
Wer sorgt also dafür, dass –ähnlich wie z.B. in Hochbaulehrbüchern- zusammenhängende Themenkreise kompakt aufbereitet werden?
Wer sorgt dafür, dass ein vernünftiger Ausgleich zwischen öffentlichen, Sicherheits- und Herstellerinteressen hergestellt wird?
Die öffentliche Hand –als gesamtheitlich denkende letztverantwortliche Instanz- zeigte bisher bedauerlicherweise kein Interesse daran, öffentliche Interessen (z.B. durch befugte, beeidete Architekten) vertreten zu lassen. Ziviltechniker, also Architekten und Ingenieure, wären durch ihre akademische Ausbildung und Berufspraxis bestens geeignet, als „Vertreter des öffentlichen Interesses“ eine zentrale Rolle bei der Schaffung von Regelwerken rund ums Bauen einzunehmen.
LeonardoWelt als Plattform für Architekten und Ingenieure setzt sich für die Verbesserung der Rahmenbedingungen für Architekturschaffende ein. Regelwerke spielen in dieser Berufsgruppe naturgemäß eine zentrale Rolle, deshalb wollen wir in nächster Zeit strukturelle Fehler und überzogene Bestimmungen in Normen ansprechen und gegenüber Politik, Verwaltung und Wirtschaft zu Verbesserungen beitragen.
Gerne stehe ich für konstruktiven Dialog zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen,
Herbert Ablinger
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